Die Langerhans-Zell-Histiozytose (LCH) ist eine seltene Erkrankung, bei der sich bestimmte Immunzellen unkontrolliert vermehren und in verschiedenen Organen Entzündungen auslösen. Die Krankheit kann mild mit einzelnen Haut- oder Knochenherden verlaufen oder lebensbedrohlich sein, wenn wichtige Organe betroffen sind. Obwohl LCH häufig im Kindesalter auftritt, sind auch Erwachsene in der Schweiz betroffen – oft mit unspezifischen Symptomen und verzögerter Diagnose.
Was ist eine Langerhans-Zell-Histiozytose?
LCH entsteht durch eine krankhafte Vermehrung von Langerhans-Zellen – Zellen des Immunsystems, die normalerweise an Haut, Schleimhäuten und im Gewebe Krankheitserreger identifizieren. Bei der Erkrankung wandern diese Zellen in Organe ein, bilden lokale Herde und verursachen dort Entzündungen oder Funktionsstörungen.
Moderne Forschung zeigt, dass LCH Merkmale einer entzündlichen Neoplasie besitzt: Die Immunzellen wachsen nicht so aggressiv wie bei Krebs, weisen jedoch genetische Mutationen und ein tumorähnliches Verhalten auf.
Wie entsteht LCH? Die Rolle genetischer Mutationen
Die genaue Ursache der Erkrankung war lange unklar. Heute weiss man, dass genetische Veränderungen in wichtigen Signalwegen die Erkrankung antreiben.
- BRAF V600E: häufigste Mutation, bei bis zu 60 % der Betroffenen
- Mutationen in MAP2K1, seltener KRAS oder ARAF
- dauerhafte Aktivierung des MAPK-Signalwegs
Diese Mutationen führen dazu, dass Langerhans-Zellen sich unkontrolliert teilen und Entzündungsreaktionen auslösen. Dadurch entstehen chronische Herde in Haut, Knochen, Lunge oder inneren Organen.
Häufig betroffene Organe
- Knochen (Schmerzen, Schwellungen)
- Haut (Ekzeme, Knoten, Ausschläge)
- Lunge (Husten, Atemnot, Zystenbildung)
- Leber und Milz (Organvergrösserung, Funktionsstörungen)
- Zentrales Nervensystem (Hormonstörungen, neurologische Symptome)
Symptome: sehr unterschiedlich je nach Organ
Die LCH kann praktisch jedes Organ betreffen. Die Symptome unterscheiden sich je nach Lokalisation deutlich.
1. Knochen
- lokale Schmerzen und Schwellungen
- Läsionen im Schädel, Becken, Rippen oder der Wirbelsäule
- Risiko für Frakturen oder Wirbelkörpereinbrüche
2. Haut
- schuppige Ekzeme, Papeln oder Krusten
- häufig falsche Diagnose: Neurodermitis oder Pilzinfektion
3. Lunge (v. a. bei Erwachsenen)
- chronischer Husten und Atemnot
- Zysten, Narbengewebe, Pneumothorax-Risiko
4. Leber und Milz
- Organvergrösserungen
- Gallestau (Cholestase)
- Störungen der Blutbildung
5. Zentrales Nervensystem
- Diabetes insipidus
- Hormonstörungen
- selten neurodegenerative Veränderungen
Die Vielfalt der Symptome macht die Diagnose anspruchsvoll und erfordert interdisziplinäre Fachkenntnisse.
Wie wird LCH diagnostiziert?
Die Diagnose stützt sich auf eine Kombination aus Bildgebung, Laboruntersuchungen und einer Gewebeprobe (Biopsie).
- Biopsie mit Nachweis von CD1a+, Langerin+ (CD207) Zellen
- Bildgebung: Röntgen, CT, MRI, PET-CT
- Organfunktionstests (z. B. Lunge, Leber)
- Hormonanalysen bei Hirnbeteiligung
- Genetische Diagnostik (BRAF, MAP2K1)
In der Schweiz verfügen insbesondere die Universitätsspitäler in Zürich, Bern, Lausanne, Genf und Basel über spezialisierte LCH-Boards.
Wann sollten Betroffene ärztliche Hilfe suchen?
- wenn Hautveränderungen über Wochen bestehen
- bei ungeklärten Knochenschmerzen oder Schwellungen
- bei chronischem Husten oder Atemnot
- bei zunehmendem Durst oder häufigem Wasserlassen
- wenn neurologische oder hormonelle Symptome auftreten
Therapie: abhängig von Befallsmuster und genetischen Mutationen
Die Behandlung wird individuell festgelegt und richtet sich nach Schweregrad, Organbefall und genetischem Mutationsstatus.
1. Beobachten und lokale Therapie
Bei milden Verläufen (z. B. isolierter Knochenbefall) kann eine abwartende Haltung sinnvoll sein.
2. Systemische Therapie
- Kortikosteroide
- Vinblastin-basierte Chemotherapie
- Kombinationstherapien bei Multiorganbefall
3. Zielgerichtete Therapien
Bei Mutationen im MAPK-Signalweg stehen moderne Targeted Therapies zur Verfügung. Sie werden in der Schweiz zunehmend eingesetzt.
- BRAF-Inhibitoren wie Vemurafenib oder Dabrafenib
- MEK-Inhibitoren wie Trametinib
Diese Medikamente zeigen oft schnelle klinische Verbesserungen, insbesondere bei Erwachsenen oder therapieresistenten Verläufen.
4. Chirurgische und lokale Massnahmen
- operative Entfernung einzelner Läsionen
- gezielte Bestrahlung in ausgewählten Fällen
5. Langzeitbetreuung
LCH kann rezidivieren. Daher sind regelmässige Kontrollen und eine interdisziplinäre Nachsorge wichtig:
- endokrinologische Betreuung
- regelmässige Lungenfunktionsmessungen
- Kontrolle von Knochendichte und Organfunktion
Fazit
Die Langerhans-Zell-Histiozytose ist eine komplexe, aber heute gut behandelbare Erkrankung. Dank genetischer Diagnostik und zielgerichteter Therapien haben sich die Prognosen deutlich verbessert. Eine frühe Abklärung in spezialisierten Zentren ist entscheidend, um Organbeteiligungen rechtzeitig zu erkennen und optimale Behandlungsmöglichkeiten zu nutzen.
Dr. med. Jens Westphal und sein Team unterstützen Betroffene in der Schweiz bei Diagnostik, Therapieentscheidung und langfristiger Begleitung – individuell, verständlich und fachlich fundiert.