Chronische intestinale Pseudoobstruktion (CIPO): Wenn der Darm seine Funktion verliert

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Die chronische intestinale Pseudoobstruktion (CIPO) ist eine der seltensten und gleichzeitig belastendsten Motilitätsstörungen des Darms. Obwohl keine mechanische Blockade vorliegt, kommt es zu starken Verdauungsproblemen, Schmerzen und oft zu Mangelernährung. Viele Betroffene erleben jahrelange Fehldiagnosen, bevor die richtige Ursache erkannt wird.

Was ist eine intestinale Pseudoobstruktion?

Bei der chronischen intestinalen Pseudoobstruktion funktioniert die Weiterbewegung des Speisebreis im Darm nicht mehr richtig. Die Beschwerden ähneln einer echten Blockade, obwohl keine anatomische Engstelle besteht. Es handelt sich um eine seltene Erkrankung der glatten Darmmuskulatur oder des enterischen Nervensystems.

Die Erkrankung tritt in der Schweiz nur sehr selten auf, kann aber schwer verlaufen und zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen.

Warum CIPO oft spät erkannt wird

Die Symptome sind unspezifisch und überschneiden sich mit weit verbreiteten Verdauungsstörungen wie Reizdarm oder Intoleranzen. Viele Betroffene erhalten daher zunächst Fehldiagnosen, und psychische Ursachen werden häufig fälschlicherweise vermutet.

  • lange Diagnosewege
  • ähnliche Beschwerden wie bei funktionellen Störungen
  • fehlendes Bewusstsein für seltene Motilitätsstörungen

Für Patientinnen und Patienten bedeutet dies oft Jahre der Unsicherheit und gesundheitlichen Verschlechterung.

Typische Symptome

Die Beschwerden entwickeln sich meist schleichend und können episodisch oder dauerhaft bestehen. Typische Symptome sind:

  • Bauchschmerzen und Krämpfe
  • Blähungen und sichtbare Darmgeräusche
  • Übelkeit und frühes Sättigungsgefühl
  • chronische Verstopfung oder unregelmässiger Stuhlgang
  • Gewichtsverlust und Mangelernährung
  • Unverträglichkeit grösserer Mahlzeiten

Im fortgeschrittenen Stadium verlieren viele Betroffene erheblich an Lebensqualität.

Ursachen: primäre und sekundäre Formen

Die chronische intestinale Pseudoobstruktion kann unterschiedliche Ursachen haben. Grundsätzlich unterscheidet man primäre und sekundäre Formen.

Primäre CIPO

  • genetische Mutationen
  • Neuropathien des enterischen Nervensystems
  • idiopathische Verläufe ohne klar identifizierbare Ursache

Sekundäre CIPO

  • Infektionen (z. B. Borrelien, Mykoplasmen, Viren)
  • Autoimmunprozesse
  • Systemerkrankungen wie Sklerodermie oder Diabetes
  • ausgeprägte Dysbiosen des Darmmikrobioms

Bei Erwachsenen wird zunehmend eine sekundäre Genese festgestellt, häufig im Zusammenhang mit Infektionen oder immunologischen Prozessen.

CIPO auf einen Blick

  • seltene Motilitätsstörung des Darms
  • ähnelt einer mechanischen Blockade ohne anatomische Ursache
  • führt häufig zu Gewichtsverlust und Mangelernährung
  • Diagnose meist erst nach langen Abklärungen
  • multifaktorielle Ursachen – genetisch, infektiös oder autoimmun

CIPO und Infektionen: „Bell’s Palsy of the Gut“

In seltenen Fällen kann eine schwere Motilitätsstörung des Darms nach Infektionen auftreten, insbesondere wenn das autonome Nervensystem betroffen ist. In der Forschung wird dies manchmal als „Bell’s Palsy of the Gut“ bezeichnet.

Vereinzelt beschreiben Studien einen Zusammenhang mit Borrelieninfektionen, insbesondere mit Borrelia garinii. Betroffene berichten über:

  • starke Darmträgheit
  • Geräusche ohne Weiterleitung
  • schlechte Nahrungsverträglichkeit
  • wiederkehrende Schmerzschübe

Eine antibiotische Therapie kann in Einzelfällen zu einer Besserung führen, doch ist die Evidenz begrenzt. Eine fachärztliche Abklärung bleibt zentral.

Diagnostik in der Schweiz

Die Abklärung sollte in spezialisierten Zentren erfolgen, da CIPO eine komplexe Diagnostik erfordert. Typische Untersuchungen sind:

  • CT oder MRI zum Ausschluss mechanischer Obstruktionen
  • Motilitätsmessungen (antroduodenale Manometrie)
  • Transitzeitmessungen
  • Mikrobiomanalysen
  • genetische Diagnostik

Spezialisierte Zentren befinden sich unter anderem am Inselspital Bern, am UniversitätsSpital Zürich und an weiteren Universitätsspitälern.

Therapie und langfristige Behandlung

Eine Heilung ist bisher nicht möglich, doch können viele Beschwerden gelindert werden. Die Behandlung richtet sich nach Ursache und Schweregrad.

Ernährungstherapie

  • kleine, häufige Mahlzeiten
  • angepasste Konsistenz, flüssige Ernährung
  • Nährstoffsupplemente
  • in schweren Fällen: enterale oder parenterale Ernährung

Medikamentöse Ansätze

  • Motilitätsfördernde Medikamente
  • Schmerzmanagement
  • Antibiotika bei bakterieller Überwucherung
  • Immunmodulation bei autoimmuner Ursache

Mikrobiom-basierte Therapie

  • gezielte Probiotika
  • Ernährung zur Reduktion entzündungsfördernder Keime

Ein interdisziplinärer Ansatz mit Gastroenterologie, Ernährungstherapie und gegebenenfalls Infektiologie ist entscheidend.

Wann Sie ärztliche Hilfe suchen sollten

  • anhaltende Verdauungsprobleme über mehrere Monate
  • ungeklärter Gewichtsverlust
  • starke Schmerzen oder wiederkehrende Bauchkrisen
  • Verdacht auf Infektions- oder Autoimmunursachen
  • kein Ansprechen auf Standardtherapien

Alltag und psychische Belastung

Viele Betroffene berichten über erheblichen sozialen Rückzug, Angst vor Schmerzschüben und grosse Unsicherheit im Umgang mit der Erkrankung. Eine klare Diagnose und eine einfühlsame ärztliche Begleitung können Belastungen deutlich reduzieren.

Fazit

Die chronische intestinale Pseudoobstruktion ist eine komplexe, seltene und stark belastende Erkrankung. Dank moderner Diagnostik und interdisziplinärer Behandlung lassen sich Beschwerden jedoch deutlich lindern. Eine frühe Überweisung in spezialisierte Zentren ist für Patientinnen und Patienten entscheidend.

Dr. med. Jens Westphal und sein Team unterstützen Betroffene nicht nur medizinisch, sondern auch beratend – damit Diagnose und Behandlung strukturiert, verständlich und individuell erfolgen.

Dr. med. Jens Westphal

Über den Autor

Dr. med. Jens Westphal ist Facharzt mit langjähriger Erfahrung in der Diagnostik seltener Erkrankungen. Nach Stationen in renommierten Kliniken liegt sein Fokus heute auf immunologischen, genetischen und systemischen Krankheitsbildern. Er arbeitet eng mit zuweisenden Ärztinnen und Ärzten zusammen und setzt sich für eine verständliche und strukturierte Versorgung von Betroffenen ein.

Frequently Asked Questions

  • Nein, die Erkrankung kann jedoch mit einer geeigneten Therapie stabilisiert werden.

Sources & References

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