Leben mit einer seltenen Krankheit: Tipps für den Alltag
Seltene Erkrankungen prägen den gesamten Alltag: Fatigue, Schmerzen, viele Termine und organisatorische Hürden.
Hier findest Du praxistaugliche Strategien für mehr Lebensqualität – mit Bezug zur Schweiz.
- Rund 500’000 Menschen in der Schweiz sind betroffen.
- Über 80 % der seltenen Krankheiten sind chronisch.
- Viele beginnen bereits im Kindes- oder Jugendalter.
- Fatigue zählt zu den häufigsten Symptomen.
Typische Alltagshürden
Körperliche Belastungen
Fatigue fühlt sich wie ein dauerhafter Energiemangel an – selbst viel Schlaf führt nicht zur Erholung.
Chronische Schmerzen und Belastungseinschränkungen beeinflussen Beweglichkeit, Konzentration und Stimmung.
Psychosoziale Faktoren
Viele seltene Erkrankungen sind unsichtbar. Missverständnisse („Du siehst doch gesund aus“) können zu
sozialem Rückzug führen. Im Beruf entsteht Unsicherheit: Was sage ich? Wie plane ich meine Leistung realistisch?
Organisation & Bürokratie
Abklärungen, Versicherungsfragen oder Gesuche bei IV-Stellen kosten Zeit und Energie – Ressourcen, die im Alltag fehlen.
Energie-Management bei Fatigue
Fatigue ist nicht „müde sein“, sondern eine krankheitsbedingte Erschöpfung. Ziel ist, Energie gezielt einzuteilen,
Überlastung zu vermeiden und Erholungsfenster zu schaffen.
Stell Dir Deine Tagesenergie als Löffel vor. Jede Aktivität verbraucht Löffel – Duschen, Kochen, Arbeiten, Einkaufen.
Sind sie aufgebraucht, geht nichts mehr. Plane bewusst: Was hat heute Priorität? Welche Aufgabe kann warten oder delegiert werden?
- Planen: Termine clustern, Regenerationspausen fest eintragen.
- Priorisieren: Must-do, Nice-to-do, kann warten.
- Hilfsmittel: Erinnerungs-Apps, To-Do-Listen, Kalender.
- Delegieren: Familie/Freunde um konkrete Mini-Aufgaben bitten.
Konkrete Tagesstruktur
- Morgens: Kurzer Check-in (Energie 1–10), Tagesziele definieren.
- Vormittag: Anspruchsvolle Tätigkeiten, danach 15–20 Min Pause (ohne Bildschirm).
- Nachmittag: Leichtere Aufgaben; Wege bündeln (Einkauf + Apotheke).
- Abend: Runterfahren, Schlafroutine (Licht dämmen, regelmässige Zeiten).
Ernährung und Bewegung – pragmatisch statt perfekt
Ernährung
- Frisch & einfach: Gemüse, Obst, Vollkorn, gute Fette, ausreichend Eiweiss.
- Meal-Prep light: Zwei Basisgerichte pro Woche vorkochen (z. B. Gemüsesuppe, Linsenauflauf).
- Trigger beachten: Bei individuellen Unverträglichkeiten (z. B. Histamin) ernährungsmedizinisch abklären.
- Spezialdiäten: Bei Stoffwechselstörungen nur in Rücksprache mit Facharzt/-ärztin.
Bewegung
- Regelmässig, moderat: 10–20 Min Gehen, Yoga, leichtes Krafttraining.
- Pacing: Eher kleine, häufige Einheiten als seltene Überlastung.
- Physiotherapie: Haltungs- und Gelenkschutz, Alltagstrainings.
- Wasserflasche & kleine Snacks griffbereit
- Ergonomischer Stuhl / höhenverstellbarer Tisch
- Theraband, Faszienrolle für kurze Übungen
- Timer für Pausen (20–30 Min Fokus, 5 Min Pause)
Alltag im Beruf und in der Schule
Rahmen in der Schweiz
- Arbeitsplatz-Anpassungen (z. B. flexible Zeiten, Homeoffice) können vereinbart werden.
- IV-Unterstützung bei eingeschränkter Erwerbsfähigkeit: Beratung, Eingliederung, ggf. Rente.
- Schule/Studium: Nachteilsausgleich (z. B. Zeitverlängerung, Pausen).
Gespräch & Umsetzung
Bereite ein strukturiertes Gespräch vor: Was sind Deine Tätigkeiten? Wo entstehen Schwierigkeiten? Welche konkreten Anpassungen würden helfen?
- Teilzeit/Blockzeiten: 60–80 % mit definierten Erholungsfenstern.
- Homeoffice-Tage: Pendelstress sparen, Pausen selbst steuern.
- Arbeitsplatz ergonomisch: Monitorhöhe, Stuhl, Licht, Lautstärke.
Soziales Netz & Kommunikation
Klare, kurze Erklärungen helfen Missverständnisse zu vermeiden:
„Ich habe eine seltene, chronische Erkrankung. Meine Energie schwankt stark. Ich brauche Pausen und plane Termine früher.“
- Familie/Freunde: Regelmässige, planbare Treffen (Spaziergang, gemeinsames Kochen).
- Selbsthilfegruppen: Austausch mit Menschen, die Ähnliches erleben (z. B. via Selbsthilfe Schweiz).
- Patientenorganisationen: ProRaris vernetzt, informiert und stärkt die Interessen Betroffener.
Psychische Gesundheit stärken
Seltene Erkrankungen gehen häufig mit Angst, Niedergeschlagenheit oder
Überforderung einher. Frühzeitige Unterstützung ist kein Luxus, sondern Teil der Behandlung.
- Mini-Ziele: realistische, erreichbare Schritte (z. B. 10 Min Spaziergang).
- Routine: fester Schlaf- und Essrhythmus, kleine Rituale.
- Achtsamkeit: Atemübungen, Meditation, Journaling 5 Min/Tag.
- Hilfe holen: Psychotherapie/Coaching frühzeitig anfragen.
Unterstützung in der Schweiz: Adressen & Anlaufstellen
- ProRaris – Dachorganisation Seltene Krankheiten Schweiz (Infos, Vernetzung, Beratung)
- Selbsthilfe Schweiz – Vermittlung regionaler Gruppen
- IV-Stellen – Beratung zur beruflichen Eingliederung/Leistungen
- Universitätsspitäler (Zürich, Basel, Bern, Lausanne, Genf) – spezialisierte Sprechstunden
- Sozialdienste der Gemeinden – Entlastungsangebote & Administration
FAQ: Häufige Fragen zum Alltag
- Kann ich trotz seltener Krankheit arbeiten?
- Ja, oft mit Anpassungen (Teilzeit, Homeoffice, flexible Pausen). IV und Arbeitgeber können unterstützen.
- Welche Rolle spielt Ernährung?
- Eine ausgewogene Ernährung stabilisiert. Bei Stoffwechselstörungen sind individuelle Pläne nötig – immer ärztlich abklären.
- Wie gehe ich mit Fatigue um?
- Mit Energie-Management (Löffel-Theorie), klaren Pausen und realistischen Zielen; Überlastung vermeiden.
- Wo finde ich Austausch?
- ProRaris, Selbsthilfe Schweiz und themenspezifische Online-Communities.
Fazit
Mit einer realistischen Tagesstruktur, bewusster Ernährung, moderater Bewegung, sozialer und psychischer Unterstützung
lässt sich der Alltag trotz seltener Erkrankung spürbar verbessern. Wichtig sind frühe Hilfe, klare Kommunikation
und individuelle Anpassungen – im Beruf, zuhause und im sozialen Umfeld.
Dr. med. Jens Westphal und Team begleiten Patientinnen und Patienten in der ganzen Schweiz – persönlich, präzise, interdisziplinär.